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Weihnachtsbotschaft des Ökumenischen Patriarchen + B A R T H O L O M A I O S

Wei­h­nachts­botschaft des Öku­menis­chen Patriarchen

+   B A R T H O L O M A I O S

durch Gottes Erbar­men Erzbischof von Kon­stan­tinopel, dem Neuen Rom,

und Öku­menis­ch­er Patriarch

allem Volk der Kirche Gnade, Friede und Erbarmen

von Chris­tus, unserem in Beth­le­hem gebore­nen Erlöser

 

 

Geliebte Brüder und Kinder im Herrn,

 

„Heute haben Him­mel und Erde sich vere­int, denn Chris­tus ist geboren.

Heute ist Gott auf die Erde gekom­men, und der Men­sch ist aufgestiegen

 in die Himmel.“

(Aus einem Hym­nus der Ves­per von Weihnachten)

 

 

Die Ent­fer­nung und der Gegen­satz zwis­chen Gott und Men­sch, welche die Sünde über die Men­schheit gebracht hat­te, wur­den zunichte gemacht, als der einziggezeugte Sohn, der vorewige Logos Gottes, die ganze men­schlichen Natur annahm. Die dem Wohlge­fall­en Gottes und seinem ersten, uneingeschränk­ten Willen gemäße Fleis­chw­er­dung des Sohnes ver­nichtet jegliche Ferne, vere­int den Him­mel mit der Erde und verbindet das Geschöpf mit dem Schöpfer.

 

„Heute erschließt sich das Wohlge­fall­en Gottes, kün­det sich an die Erlö­sung der Men­schen“, hat die Kirche am Fest des Einzugs der Gottes­ge­bärerin gesun­gen.  Die Gottes­ge­bärerin hat durch ihre Dar­bringung im Tem­pel und ihre Bere­itung daselb­st zum Gefäß des unum­faßbaren Gottes den Weg zum Heil­shan­deln Gottes im Fleisch des Men­schen­sohns eröffnet und unsere Erlö­sung angekündigt.

 

„Heute ist der Anfang unser­er Erlö­sung, die Offen­barung des Mys­teri­ums von Ewigkeit her; der Sohn Gottes wird der Jungfrau Sohn“, sang die Kirche am Fest der Verkündi­gung; dem Fest, an dem sie uns verge­gen­wär­tigt, daß der, der im unzugänglichen Licht wohnt, aus dem Heili­gen Geist in dem heili­gen Schoß der Gottes­ge­bärerin emp­fan­gen wurde, daß so die göt­tliche Natur mit der men­schlichen ver­bun­den wurde und daß also Gott Men­sch wurde, „um uns Men­schen“ – nach dem berühmten Wort des hl. Athana­sius d. Gr. – „zu vergöt­tlichen“. Das Wohlge­fall­en, das am Fest des Einzugs der Gottes­ge­bärerin in den Tem­pel begrüßt wurde, und die Erlö­sung, die am Fest der Verkündi­gung „reka­pit­uliert“ wurde und sich gezeigt hat – bei­des ist heute, an diesem großen, heili­gen Tag, an dem Chris­tus geboren wurde, greif­bare Wirk­lichkeit gewor­den. Heute ist „das Wort Fleisch gewor­den und hat unter uns gewohnt“ (Jo 1,14). Heute feiern die Engel das Ereig­nis, indem sie sin­gen: „Ehre sei Gott in den Höhen und Friede auf Erden, und bei den Men­schen Wohlge­fall­en!“ (Lk 2,14)

 

Mit der Fleis­chw­er­dung, mit der Men­schw­er­dung  des göt­tlichen Logos ist die Erlö­sung der Men­schheit poten­tiell schon vol­len­det. Denn diejeni­gen, die, weil sie zum Glauben an Jesus gelangt sind, ein Leben führen, das diesem Glauben, den Geboten und der ganzen Lehre Jesu entspricht, wer­den durch diesen gottwohlge­fäl­li­gen Lebenswan­del erhöht und so zu Fre­un­den und Teil­habern Gottes. Sie wer­den „teil­haft der göt­tlichen Natur“ (2 Petr 1,4), Gott der Gnade nach. Das ereignet sich auss­chließlich in der Kirche, in der der Men­sch durch die heilige Taufe in Chris­tus wiederge­boren, vom Vater an Kindes Statt angenom­men, durch die heili­gen Sakra­mente und die Pflege der Tugend von der göt­tlichen Gnade und dem Heili­gen Geist erfüllt wird und „zum vol­lkomme­nen Mann gemäß dem Alters­maß der Fülle Christi“ (Eph 4,13) her­an­wächst, bis er fähig ist, mit dem Apos­tel Paulus zu sagen: „Nicht mehr ich lebe, son­dern Chris­tus lebt in mir“ (Gal 2,20). Die so Vol­len­de­ten betra­chtet Chris­tus nicht ein­fach nur als seine Fre­unde oder seine Brüder; vielmehr erken­nt er sie als Glieder seines Leibes an. Darum hat er auch vom Kreuz herab zu sein­er all­heili­gen Mut­ter über den Evan­ge­lis­ten Johannes gesagt: „Frau, siehe, Dein Sohn!“ – und zu Johannes „Siehe, Deine Mut­ter!“ (Jo 19,26 f.) Wei­h­nacht­en öffnet sich also ganz weit die Tür zur gnaden­haften Verähn­lichung mit Chris­tus, zur Vergöt­tlichung des Men­schen. Darum „feiert voll Freude die ganze Schöp­fung ein Fest und frohlock­en die Him­mel mit uns“ an diesem aus­geze­ich­neten Tag des Heils (Hym­nus der Laudes vom 28. Dezember).

 

Angesichts dieser Freude und Hoff­nung schenk­enden Tat­sachen grat­ulieren wir her­zlich allen von uns geliebten Kindern unser­er heili­gen Mut­ter, der Kirche, in der ganzen Welt vom Pha­nar, dem geheiligten Sitz des ehrwürdi­gen Öku­menis­chen Patri­ar­chates, und senden ihnen unsere von Herzen kom­menden patri­ar­chalen Wün­sche an diesem „Mut­ter­fest aller Feste“: den Klerik­ern, Mönchen und Laien, den Regieren­den und den Regierten, den Kleinen und den Großen. Ins­beson­dere grüße ich jene, die in Bedräng­nis sind, weil sie von Trau­rigkeit, Not und Leid heimge­sucht werden. 

 

Der in ein­er Höh­le geborene und in eine Krippe gelegte vorewige Gottes­sohn, der  um unseretwillen der Men­schen­sohn gewor­den ist, mache uns würdig sein­er sich in unser­er Knechts­gestalt offen­baren­den Liebe und seines heili­gen und anbe­tungswürdi­gen,  im Fleisch gewirk­ten Heils.

 

 

Pha­nar, Wei­h­nacht­en 2009

 

+ Bartholo­maios von Konstantinopel,

euer aller inständi­ger Für­bit­ter bei Gott