Weihnachtsbotschaft 2009 des Metropoliten von Deutschland und Exarchen von Zentraleuropa Augoustinos
Liebe Orthodoxe Christen in Deutschland!
jede Geburt eines Kindes auf Erden ist für seine Familie Grund zur Freude. Obwohl wir wissen, dass der Beginn unserer physischen Existenz zwangsläufig auch ihr Ende, den Tod, nach sich zieht, begleiten wir das Weinen des Säuglings mit glücklichem Lächeln und geben so dem Wunder des Lebens, das wir ja mit Händen greifen können, den Vorrang.
Die Geburt eines Menschen bedeutet den Anfang eines Weges. In der Geborgenheit der Familie beginnen wir unsere ersten Schritte. Diese Schritte werden sicherer dank der Erziehung, die wir in der Kirche und in der Schule empfangen, dank der Kultivierung unserer Seele, unseres Geistes und unseres Leibes. Schließlich kommt die Stunde, in der wir unsere Flügel ausbreiten und unseres Weges ziehen, unsere Talente einsetzen und unseren Beitrag dazu leisten, dem Leben Schönheit zu geben. Dieser Weg ist nicht immer einfach, und darum ist es ganz besonders wichtig, zu wissen, was der Sinn des Lebens ist, oder — anders gesagt — zu wissen, was das Ziel dieses Kampfes ist, den wir lebenslang führen.
Wenn wir tief und aufrichtig mit uns zu Rate gehen, erkennen wir, dass der Sinn des Weges eines jeden von uns in seinem Ziel, in dem homerischen Ithaka, in unserer endgültigen Bestimmung verborgen ist. Jede Reise hat ein Ziel, und das, was uns in unserem Alltag Kraft gibt, ist der Drang, das Ziel zu erreichen. Wenn nun unser Ziel Gott und seine Herrschaft ist, dann gehen wir diesen Weg unseres Lebens mit anderen Voraussetzungen; denn dann sind es nicht eine Sache oder eine wenn auch noch so erhabene Idee, die den Wechselfällen, der Reise des Lebens Bedeutung verleihen. Dann ist es nicht eine Sache, sondern eine Person: der Eine, der Gottmensch, unser Herr Jesus Christus, dessen Geburt in einem Heute geschieht, das die Zeiten überspannt.
Die Geburt Christi unterscheidet sich von allen Geburten in dem Maße, wie sein ganzes Leben, sein Weg auf Erden nicht im Tod endet, sondern den Tod in seiner Auferstehung überwindet. Die Geburt des Gottmenschen befreit unser Leben von seiner Ausweglosigkeit, denn sie ist der Anfang und die Garantie für unseren Übergang von der Auflösung zur Wiederherstellung in unserer personalen Auferstehung. Die Geburt Christi rettet die menschliche Würde. Sie erhebt uns von der Tiefe eines nur biologischen Daseins zu einem Leben als Kinder Gottes, die zur Teilhabe an seiner alle und alles rettenden Liebe geschaffen sind. Das meinen wir, wenn wir in einem Festlied dieses Tages singen: „Die Jungfrau gebiert heute den, der über allem Sein ist“, und das mit den Worten endet: „Denn für uns ward geboren als kleines Kind der Gott vor den Zeiten“. Und in einem anderen Hymnus bekennen wir: „Wir, die wir in Finsternis sitzen und Todes Schatten, haben die Wahrheit gefunden. Denn aus der Jungfrau ist geboren der Herr.“
Das ist die Freude dieses Festes: Die Wandlung des Weges und der Bestimmung unseres Lebens; ein Weg im Licht, ein Weg mit dem Ziel der Wahrheit, die Christus selber ist. Heute wird Christus geboren! Das ist die Frohe Botschaft! Ihn laßt uns preisen und in unserem Leben willkommen heißen! Gesegnete Weihnacht!
Bonn am 25. Dezember 2009
+ Metropolit Augoustinos von Deutschland