Weihnachtsbotschaft 2008 des Metropoliten von Deutschland und Exarchen von Zentraleuropa Augoustinos
„Freue dich, dass du den trägst, der da alles trägt!“
(Aus dem Akathistos-Hymnos)
Liebe Orthodoxe Christen in Deutschland!
Niemals zuvor hat die Möglichkeit bestanden, so unmittelbar und unverzüglich über so viele Themen informiert zu werden. Was auch immer irgendwo auf unserem Planeten geschehen mag, die Nachricht davon verbreitet sich mit Lichtgeschwindigkeit, und schon in wenigen Minuten ist die Kunde von einem Ereignis in den letzten Winkel unserer Erde gedrungen. Die Massenmedien tragen entscheidend dazu bei, dass wir uns als Weltbürger fühlen, denn durch Bild und Ton sind wir gleichsam Teilhaber des Schmerzes oder der Freude von Menschen aus aller Welt.
Die Erfahrung zeigt, dass es bereits selbstverständlich ist, täglich von tausenden von Nachrichten überschwemmt zu werden, die sich letztendlich meistens als nutzlos und unbrauchbar erweisen. Nicht selten verlieren wir uns in dieser Nachrichtenflut, so dass wir sie schließlich nur noch passiv und unkritisch aufnehmen. So vertun wir die Chance, unser Urteil zu schärfen, das Kostbare vom Billigen, das Brauchbare vom Unbrauchbaren zu trennen und das zu behalten, was unserem Geist förderlich ist und uns zu Menschen macht.
Ein charakteristisches Beispiel dafür ist, wie wir in diesen Tagen mit der Nachricht aller Nachrichten umgehen: mit der Frohen Botschaft von der Geburt Christi. Wenn sie nicht gerade vollkommen ignoriert wird, so wird sie doch höchstens „am Rand“, wie wir sagen, erwähnt, und auch das nur, wenn es darum geht, die pompösen Feierlichkeiten in einigen lichtgeschmückten Großstädten zu präsentieren. Das Wort „Christus“ fällt dabei kaum, und wenn es doch fällt, dann nur, um den Glauben an diesen Christus von denen in Frage stellen zu lassen, die seine historische Existenz immer noch anzweifeln.
Die Geburt Christi hat nicht den Sinn, lediglich einige sentimentale oder religiöse Bedürfnisse unserer Seele zu befriedigen. Sie ist vielmehr die Antwort auf den Schrei unserer Existenz oder die Sehnsucht unseres Herzens nach dem wahren Leben jenseits des Todes. Heute wird unser Heiland geboren: das Leben, die Schönheit und die Auferstehung der ganzen Welt. Aus Liebe zum Menschen wird der geboren, der selbst Liebe ist und uns lehrt, zu lieben und geliebt zu werden. Darum hat ein französischer Denker sehr zu recht gesagt: „Weihnachten! Seit jener Nacht hat niemand mehr das Recht, nur für sich selber glücklich zu sein.“
Heute wird der geboren, der alles auf sich nimmt und trägt, vor allem unsere Schmerzen, unsere Ängste und unsere Fehler. Heute wird der geboren, der uns von unseren überflüssigen Lasten befreit und uns immer dann erneuert, wenn wir in die Geborgenheit seiner väterlichen Umarmung zurückkehren. Geboren wird der, der die Unbarmherzigkeit des Gesetzes aufgehoben hat, d. h. all dessen, was man tun muß. Er tat dies durch der Freiheit seiner Liebe, einer Liebe, die stärker ist als der Tod, und die darum gesellschaftliche Konventionen oder leere Moralvorschriften durchbricht, einer Liebe, die sich kreuzigen lässt, ohne ihrerseits zu kreuzigen.
Von heute an, liebe Brüder und Schwestern in Christus, wollen wir uns freuen über die wunderbare Kunde, die uns sagt: Das Paradies steht wieder offen! Laßt uns den lieben, der, wie es der hl. Johannes Chrysostomus ausdrückt, von uns verlangt, wenn wir Gott ähneln wollen, nicht in erster Linie zu fasten oder zu beten, sondern vor allem, Barmherzigkeit zu üben und einander und die ganze Welt zu lieben, so wie auch er uns als erster geliebt hat.
Ich wünsche Euch allen ein gesegnetes Weihnachtsfest!
Bonn zur Vorweihnachtszeit Dezember 2008
+ Metropolit Augoustinos von Deutschland