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Rede von Staatsminister Werner Hoyer zur Feier „50 Jahre Griechen in Deutschland – eine Erfolgsgeschichte für zwei Nationen“ in Bonn

– Es gilt das gesproch­ene Wort! –
I.
Sehr geehrte Damen und Herren,

Ihnen allen gel­ten sehr her­zliche Grüße auch von Gui­do West­er­welle, der es als Bon­ner ganz beson­ders bedauert, heute nicht hier sein zu können.

An Ihre Adresse, Herr Präsi­dent des Hel­lenis­chen Par­la­ments, ist es ein ganz beson­der­er Willkom­mensgruß: Willkom­men näm­lich in Ihrer Heimat! Hier am Rhein haben Sie mehr als nur eine akademis­che Heimat gefun­den, son­dern bis ins ganz Per­sön­liche, in die Fam­i­lie hinein, eine zweite Heimat. Es war der Star­tort eines griechisch-deutschen Lebensweges.

Diese griechisch-deutsche Iden­tität teilen mit Ihnen, in unter­schiedlichem Grad und mit unter­schiedlichen Grün­den, ganz viele hier im Saal.

Es sind Men­schen, die sich bei­den Völk­ern ver­bun­den oder sog­ar zuge­hörig fühlen.

Es sind Men­schen, die bei­de Natio­nen ken­nen und ver­ste­hen, die sich das Woh­lerge­hen bei­der wün­schen wie auch eine enge, ver­trauensvolle Fre­und­schaft zwis­chen bei­den Völkern.

Als einen nicht unwichti­gen Inte­gra­tions­fak­tor hob die Frank­furter All­ge­meine Zeitung am 7. August 2000, zum 40-jähri­gen Jubiläum des Anwer­be­abkom­mens hervor:

“Als Südlän­der hat­te der Grieche dur­chaus Chan­cen bei der weib­lichen deutschen Bevölkerung.” Dem ist schnell hinzuzufü­gen: Sicher­lich auch bei der männlichen deutschen Bevölkerung die vie­len Griechin­nen, die einen bemerkenswert großen Anteil des Migranten­stromes ausmachten.

“L’Eu­rope se fait par l’amour”, würde Frau Skarpelis dazu sagen, wie so viele Müt­ter und Väter deutsch-griechis­ch­er Fam­i­lien unter uns, wis­send, wovon sie redet.

Nach Bonn zu kom­men, verehrter Herr Präsi­dent, lieber Herr Pet­sal­nikos, mag ein beson­ders starkes Reise­mo­tiv gewe­sen sein. Aber es macht auch in viel­er­lei ander­er Hin­sicht seinen Sinn.

Die Jahre, auf die wir hier zurück­blick­en, waren „Stern­jahre“ der Bon­ner Repub­lik, in denen bei­de Völk­er in ihrem Ver­hält­nis zueinan­der “Europa” erfuhren. Erfuhren, was wirtschaftliche Inter­es­sen­ge­mein­schaft bedeutet, Reise­frei­heit der Bürg­er, Arbeits­frei­heit in Europa, neue Frei­heitschan­cen für die Völk­er wie für den einzel­nen Bürger.

Es macht also Sinn, heute hier im Alten Ple­narsaal der Bun­desre­pub­lik Deutsch­land zu tagen, vor der Kulisse jenes deutschen Adlers an der prä­sidi­alen Stirn­wand, der Auf­stieg aus den Ruinen sym­bol­isieren sollte.

Die Bon­ner Repub­lik wollte vor allem einen Wieder­auf­stieg in den Kreis der europäis­chen Völk­er­fam­i­lie: Zu diesem Wieder­an­fang haben die Griechen den Deutschen als Erste die Hand gere­icht. Trotz schlimm­ster Erfahrun­gen mit der deutschen Besatzung im 2. Weltkrieg haben sie uns sehr früh ange­boten, diplo­ma­tis­che Beziehun­gen wieder aufzunehmen. Das erste Aus­lands-Goethe-Insti­tut nach der deutschen Katas­tro­phe wurde auf Ein­ladung Griechen­lands in Athen eingerichtet.

Und noch ein­mal Bonn am Rhein: Vor 50 Jahren saßen dort Kon­rad Ade­nauer als Bun­deskan­zler und Hein­rich von Brentano als Außen­min­is­ter auf der Regierungs­bank. Aber jen­seits des Regierungsvier­tels gab es noch ein anderes Bonn, das Bonn der Universität.

Sie, lieber Herr Pet­sal­nikos, sind nach Frau Pro­fes­sor Anna Bena­ki-Psarou­da, der zweite griechis­che Par­la­mentspräsi­dent in Rei­he, der aus dieser Alma Mater her­vorge­gan­gen ist.

Als beken­nen­der Köl­ner kann ich dies deutsch-griechisch nur übertrumpfen, indem ich auf den Staat­spräsi­den­ten Griechen­lands hin­weise, Her­rn Karo­los Papou­lias, der an der Uni­ver­sität zu Köln, mein­er eige­nen Alma Mater, pro­moviert wurde und heute noch in Köln zu Hause ist.

Ich kann auf die rheinis­che akademis­che Heimat so viel­er her­aus­ra­gen­der griechis­ch­er Staatsmän­ner und Wis­senschaftler nicht hin­weisen, ohne an Dim­itris Tsat­sos zu erin­nern, dessen Tod wir in diesen Tagen zu betrauern.

Aus sein­er Schuleim Bon­ner Juridicum ist wiederum unser eigen­er, deutsch­er lib­eraler Außen­min­is­ter als Dok­tor der Rechte her­vorge­gan­gen. Mit Dim­itris Tsat­sos haben bei­de Län­der einen großen Mann des Rechts und der Demokratie ver­loren, einen her­aus­ra­gen­den Mit­tler der deutsch-griechis­chen Fre­und­schaft, dem wir uns verpflichtet fühlen.

II.

Eine Ver­bal­note des Auswär­ti­gen Amtes vom 12. Jan­u­ar 1960 schuf zusam­men mit der Antwort der Königlich-Griechis­chen Botschaft vom 18. Feb­ru­ar 1960 das heute zu feiernde “Anwer­be­abkom­men”. Dort heißt es – ich zitiere – “Die Gesamtzahl der Zulas­sun­gen soll bei­der­seits jährlich zwei­hun­dert nicht übersteigen”.

Tat­säch­lich­wur­den es noch im Start­jahr über 8.000 Ange­wor­bene, 1961 schon 21.000, 1962 dann schon 32.000.

In ganz erhe­blichem Umfang wur­den Griechen und Griechin­nen auch außer­halb des ver­traglich vere­in­barten Anwer­bev­er­fahrens “namentlich ange­fordert”, also von deutschen Arbeit­ge­bern über pri­vate Ver­mit­tler unter Ver­trag genom­men und für ihre Deutsch­land-Reise von der deutschen Botschaft und den deutschen Kon­sulat­en mit Arbeits- und Aufen­thalt­ser­laub­nis­sen ausgestattet.

Mit einem Höch­st­stand von fast 270.000 Arbeit­nehmern im Juni 1972 wird die Gesamtzahl der Griechen und Griechin­nen, die zur Arbeit in Deutsch­land waren, auf eine Mil­lion Men­schen geschätzt, also knapp ein Zehn­tel der griechis­chen Bevölkerung.

Als Grund der Arbeitsmi­gra­tion galt seit langem ein ekla­tan­ter Arbeit­skräfte­man­gel der deutschen Industrie.

In ein­er Begriffsver­legen­heit, die aus den schlim­men Zeit­en von Frem­dar­beit­ern und Zwangsar­beit­ern her­rührte, wurde das Wort “Gas­tar­beit­er” geboren. Das geschah auch in der Erwartung, diese Migranten wür­den – nach eini­gen für bei­de Seit­en nüt­zlichen Jahren – wieder in ihre Herkun­ft­slän­der zurück­kehren. In hun­dert­tausenden Fällen hat sich dies als bei­d­seit­ige Illu­sion erwiesen.

316.000 Griechen leben heute in Deutschland.

Wenn wir die längst Einge­bürg­erten hinzunehmen, unsere deutschen Mit­bürg­er griechis­ch­er Herkun­ft und die vie­len deutschen Kinder aus deutsch-griechis­chen Ehen sind es natür­lich noch viel mehr Men­schen in Deutsch­land, die auf eine griechis­che Herkun­ft zurück­blick­en kön­nen. Über­schlägig ein Drit­tel der griechis­chen Migranten ist dem­nach in Deutsch­land geblieben.

Diese starke Inte­gra­tionsnei­gung kommt in zahlre­ichen Sta­tis­tiken zum Ausdruck.

Inter­es­san­ter­weise sind einige wis­senschaftliche Stu­di­en zu dem Ergeb­nis gelangt, dass nicht nur der deutsche Arbeit­skräfte­man­gel, son­dern auch die Inter­essen der Herkun­ft­slän­der die Gas­tar­beit­er­mi­gra­tion in Gang geset­zt hätten.

Danach sei es für die Entsendestaat­en darum gegan­gen, ihre aus der west­deutschen Export­stärke erwach­se­nen Devisen­schwierigkeit­en zu lösen und die heimis­che Arbeit­slosigkeit zu reduzieren.

Die deutsche Regierung wiederum sei schließlich auf behar­rlich­es griechis­ches Drän­gen auf die Öff­nung des deutschen Arbeits­mark­tes für Griechen einge­gan­gen, damit der deutsche Han­del nicht durch ein griechis­ches Bilanzde­fiz­it behin­dert werde.

Hinzu sei das Inter­esse gekom­men, Griechen­land in den Zeit­en immer schär­fer­er Ost-West-Span­nun­gen zu sta­bil­isieren. Ein weit­eres Hin­hal­ten Griechen­lands, das seit 1955 kon­tinuier­lich den Wun­sch nach ein­er Wan­derungsvere­in­barung vor­ge­tra­gen hat­te, so wird gemut­maßt, hätte eine Brüskierung des von osteu­ropäis­chen Staat­en umwor­be­nen NATO-Lan­des bedeutet.

Eine weit­ere dezi­diert außen­poli­tis­che Dimen­sion gewann die griechis­che Arbeit­er­mi­gra­tion nach Deutsch­land dann in den Zeit­en der Athen­er Obristenjunta.

An diese Zeit kann auch ich mich gut erin­nern, war ich doch damals Schüler der deutschen Schule in Athen. Ich bin sehr froh, dass ich damals Fre­und­schaften knüpfen kon­nte, die so eng gewor­den sind, dass sie gar nicht mehr wegzu­denken sind.

Nicht wenige der griechis­chen Gas­tar­beit­er waren auch wegen poli­tis­ch­er und poli­tisch bed­ingter Schwierigkeit­en in der Heimat nach Deutsch­land gekom­men. Wohl auch deswe­gen haben sie sich als­bald in deutschen Betrieben organ­isiert und Anschluss an die deutschen Gew­erkschaften gefunden.

Im Moment des Putsches vom April 1967 erwies sich dies als ein starkes Fun­da­ment, auf dem sofort eine Exil­wider­stands­be­we­gung gegen die Jun­ta aufge­baut wer­den konnte.

Es wurde die Zeit eines großen Schul­ter­schlusses zwis­chen ein­er Arbeit­er­be­we­gung im deutschen Exil mit Intellek­tuellen, für die Namen wie Pav­los Bakoy­an­nis mit der Gas­tar­beit­er-Sendung des Bay­erischen Rund­funks ste­hen, die griechis­che Redak­tion der Deutschen Welle und, wiederum in Köln, der junge griechis­che Recht­san­walt Karo­los Papou­lias, der von dort aus eine neue Arbeit­er­partei, die PASOK, für den Tag der Befreiung aufbaute.

Bis hin zur Befreiung von Pro­fes­sor Man­gakis war dies eine große Zeit der deutschen Außen­poli­tik unter Willy Brandt und Wal­ter Scheel. Die bun­des­deutsche Außen­poli­tik entwick­elte erst­mals eine über unmit­tel­bare Inter­essen hin­aus­ge­hende demokratiepoli­tis­che, ethis­che Dimen­sion. Sie ist bis heute Vor­bild und Maßstab geblieben.

Diese deutsche Griechen­land­poli­tik fand nach der Befreiung Griechen­lands von den Obris­ten ihre kon­se­quente Fort­set­zung, als Deutsch­land zur Sta­bil­isierung der griechis­chen Demokratie mit Entsch­ieden­heit für eine griechis­che Mit­glied­schaft in der Europäis­chen Gemein­schaft eintrat.

Die Bun­desregierung set­zte diese Mit­glied­schaft mit erhe­blichem Ein­satz – und auch mit der Über­nahme eines großen Teils der finanziellen Erweiterungslas­ten – gegen starke Wider­stände ander­er EG-Staat­en durch.

Mit der von der Regierung Schmidt-Gen­sch­er klar ver­fol­gten EG-Inte­gra­tion Griechen­lands und im Übri­gen unter den arbeits­mark­t­poli­tis­chen Kon­se­quen­zen der Ölkrise set­zte dann eine Wende in der Migra­tions­be­we­gung ein, zu in etwa gle­ichen Teilen eine Rück­wan­derung und eine dauer­hafte Ansied­lung in Deutsch­land. Was bis dahin ganz über­wiegend ein Wan­der­ar­beit­er­tum war, entwick­elte nun in vie­len Fällen eine aus­ge­sprochen unternehmerische Dimension:

Men­schen, die oft aus ein­fachen, dör­flichen Ver­hält­nis­sen zu Indus­triear­beit­ern in deutschen Unternehmen gewor­den waren, nutzten erspartes Startkap­i­tal, um in der Heimat selb­ständi­ge gewerbliche Exis­ten­zen aufzubauen oder in Deutsch­land als Klei­n­un­ternehmer, Händler, Handw­erk­er, Gast­wirte in den deutschen Mit­tel­stand aufzusteigen.

Die europäis­chen Nieder­las­sungs­frei­heit trug dazu bei, dass die Migra­tion der 70-er und 80-er Jahre, wenn auch im Ver­gle­ich zu den Anwer­bev­er­fahren mit deut­lich gerin­geren Zahlen, immer stärk­er von selb­ständig Gewer­be­treiben­den und Freiberu­flern geprägt wurde. Die deutsche Gesellschaft erwies sich als eine sozial bemerkenswert durch­läs­sige Gesellschaft.

Es scheint bis heute, dass die Griechen den Schlüs­sel mit­ge­bracht oder gefun­den hat­ten, in Deutsch­land wirtschaftlich und gesellschaftlich zu reüssieren, mit Tüchtigkeit, Genügsamkeit, Opfer­bere­itschaft und einem eis­er­nen Willen, den Kindern einen Auf­stieg über das selb­st im Leben Erre­ichte hin­aus zu ermöglichen.

Sie haben völ­lig Recht, meine Damen und Her­ren Ver­anstal­ter: Es war und ist eine Erfol­gs­geschichte, ein Kom­pli­ment für bei­de Nationen.

III.

Sozi­olo­gen und Kul­tur­wis­senschaftler wür­den wom­öglich vom “Poten­tial interkul­tureller Syn­ergien” sprechen.

Wir hier wür­den die Gun­st der heuti­gen Stunde nicht gut nutzen, ließen wir es bei einem Rück­blick auf das Jahr 1960 und fol­gende bewen­den. Heute muss es nicht zulet­zt darum gehen, wie wir die den men­schlichen, zivilge­sellschaftlichen und kul­turellen Verbindun­gen innewohnende Kraft für einen neuen deutsch-griechis­chen Auf­schwung nutzen können.

Zum Man­age­ment der aktuellen Finanzkrise wer­den wir von hier aus nicht unmit­tel­bar beis­teuern kön­nen. Für meinen Teil will ich dazu nur soviel sagen, dass ich eine Inter­pre­ta­tion des in den let­zten Wochen Erfahre­nen als “deutsch-griechis­ch­er Inter­es­sen­ge­gen­satz” für völ­lig ver­fehlt hielte.

Von der ersten Stunde der griechis­chen Schuldenkrise an war griechis­ches und deutsches Inter­esse ganz gle­icher­maßen auf eine möglichst mark­twirtschaftliche Lösung gerichtet, auf eine weit­er­hin gesicherte Refi­nanzierung des griechis­chen Staat­shaushaltes auf den inter­na­tionalen Finanzmärk­ten. So kann ich auch jet­zt keinen Inter­esse­nun­ter­schied hin­sichtlich ein­er nach­halti­gen, wirtschafts- und sozialverträglichen Sta­bil­isierung in einem inter­na­tionalen Bei­s­tand­srah­men erkennen.

Natür­lich ist mir bewusst, dass Deutsch­land für eine ver­meintlich zögernde Hal­tung von vie­len kri­tisiert wurde.

Die Bun­deskan­z­lerin, Außen­min­is­ter Gui­do West­er­welle und ich selb­st haben aber keinen Zweifel daran gelassen, dass wir unseren griechis­chen Fre­un­den in dieser Krise zur Seite stehen.

Einen deutschen Nach­holbe­darf in Fra­gen Sol­i­dar­ität kann ich daher auch nicht erkennen.

Sol­i­dar­ität bedeutet auch, die Gesamtver­ant­wor­tung zu erkennen.

Die Gesamtver­ant­wor­tung so zu han­deln, dass wir unsere gemein­same Währung – und damit eine der Grund­festen der EU – nicht an die Wand fahren.

Hierzu gehört, dass man nicht den Weg des kurzfristig ger­ing­sten Wider­standes geht und mit schnellen Hil­fen und ohne entsprechende Spar­maß­nah­men unserem Wirtschaft­sraum und unser­er Währung einen Bären­di­enst erweist.

Hierzu gehört auch, dass man sich nicht von der Panik an den Märk­ten ansteck­en, son­dern Beson­nen­heit und Sorgfalt wal­ten lässt, um einen Weg aus dieser Krise zu beschre­it­en. Sorgfältig müssen wir nicht zulet­zt auch deshalb han­deln, weil wir wollen, dass unser Lösungsweg nicht von anderen, die von Anfang an diese gemein­same Währung nicht woll­ten, vor Gericht zu Fall gebracht wird.

Eine solche Lösung wurde dieses Woch­enende gefun­den. Wir wer­den sie nun rasch umset­zen. Eine Lösung, die deut­lich macht, dass wed­er Griechen­land noch Deutsch­land sich einen schlanken Fuß machen wollen.

Der großen Entschlossen­heit der griechis­chen Regierung zollen wir hohe Anerken­nung. Die muti­gen Spar­maß­nah­men der Regierung von Geor­gios Papan­dreou haben bemerkenswerte Anfangser­folge erzielt. Unsere griechis­chen Fre­unde bitte ich darum, sich ihrer­seits die Größenord­nun­gen der Risikoüber­nahme durch die Stützungs­maß­nah­men Deutsch­lands vor Augen zu halten.

IV.

Der Aus­blick in dieser Feier­stunde muss freilich über den währungspoli­tis­chen Aspekt hinausreichen.

In den deutsch-griechis­chen Beziehun­gen ist es zu Ver­let­zun­gen gekom­men, bei­der­seits, die über die währungspoli­tis­chen Strate­giede­bat­ten weit hin­aus­ge­gan­gen sind. Unter Fre­un­den soll­ten wir nicht lange darum herumreden.

Wenn deutsche Äußerun­gen, deutsche Medi­enkom­mentare unsere griechis­chen Fre­unde ver­let­zt haben, so bedauere ich das zutief­st. Und manch­es war beschä­mend, was in Deutsch­land zu lesen war.

Jet­zt ist der richtige Zeit­punkt gekom­men, die deutsch-griechis­che Fre­und­schaft mit neuem Elan anzugehen.

50 Jahre Gas­tar­beit­er­be­we­gung, auf die wir heute zurück­blick­en, sind über weite Streck­en von einem außergewöhn­lichen poli­tis­chen Dia­log geprägt.

Griechis­che Arbeit­er, Stu­den­ten und Akademik­er waren in erhe­blichem Maße Teil der kul­turellen und poli­tis­chen Verän­derun­gen hier in Deutsch­land, die zeit­geschichtlich im Begriff der “68-er Jahre” zusam­menge­fasst sind. Nach der Befreiung von den Obris­ten war die Auf­bauhil­fe deutsch­er Parteien und poli­tis­ch­er Stiftun­gen ein wichtiger Beitrag zur Sta­bil­isierung der wieder­erlangten griechis­chen Demokratie. Wir haben in jenen Zeit­en erfahren, was poli­tis­che Gemein­samkeit und europäis­che Öffentlichkeit bedeuten.

Sie ist oft als eine poli­tis­che Voraus­set­zung der europäis­chen Demokratie beschworen wor­den, die europäis­che poli­tis­che Öffentlichkeit.

Was eine solche Öffentlichkeit nicht bedeuten sollte, haben wir soeben in der deutsch-griechis­chen Stim­mungskrise erlebt.

Was sie bedeuten muss, ist, auch die Öffentlichkeit in den europäis­chen Part­ner­län­dern als eigene poli­tis­che Öffentlichkeit anzunehmen und danach zu handeln.

Dieser Dia­log kann nicht nur auf abstrak­ter europa­poli­tis­ch­er Ebene geführt wer­den. Er muss zwis­chen den Men­schen begin­nen und dort ver­ankert wer­den. Dies gilt auch für uns, Deutsche und Griechen.

Hier sind wir schon weit gekom­men. Ein bemerkenswertes deutsch-griechis­ches Net­zw­erk ist bere­its entstanden:

Allein in Deutsch­land im Ver­band von 140 griechis­chen Kul­turge­mein­den, in 46 deutsch-griechis­chen Gesellschaften, Ihrem Dachver­band und in der Deutsch-Hel­lenis­chen Wirtschaftsvereinigung.

Ihren Ini­tia­toren und den vie­len ehre­namtlich in diesen Ver­bän­den Engagierten gebührt ein großer, her­zlich­er Dank.

Wie kön­nen wir dieses zivilge­sellschaftliche Poten­zial noch stärk­er für den poli­tis­chen Dia­log zwis­chen bei­den Völk­ern nutzen und zur Unter­stützung der tief­greifend­en griechis­chen Struk­tur­refor­men, die nun auf Jahre hin­aus das Land prä­gen und verän­dern werden?

Wir dür­fen nicht vergessen, was wir, Griechen und Deutsche, in den let­zten Jahrzehn­ten erre­icht haben. Das heißt nicht, dass wir uns darauf aus­ruhen kön­nen. Aber wir dür­fen unsere über lange Zeit gewach­se­nen und tief ver­wurzel­ten Beziehun­gen auch nicht durch Vorurteile zer­schla­gen lassen.

Wir müssen den Ursachen der „Stim­mungskrise“ ins Auge schauen. Hierzu gehört sehr viel Ehrlichkeit ver­bun­den mit Empathie. Wir müssen uns noch stärk­er zu ein­er Ver­ant­wor­tungs­ge­mein­schaft entwickeln.

Ich bin zuver­sichtlich, dass uns dies gelin­gen wird. Griechen und Deutsche wer­den auch in Zukun­ft den Aus­tausch zwis­chen unseren Län­dern suchen und mit offe­nen Armen emp­fan­gen werden.

“Arbeit­er wur­den gebraucht, Men­schen sind gekom­men” hat man mit Recht bei den griechis­chen Gas­tar­beit­ern fest­gestellt. Diese men­schliche Dimen­sion ist es, die wir nicht aus den Augen ver­lieren wer­den. Europa ist ein men­schlich­es Europa. Dafür wollen wir uns mit aller Kraft ein­set­zen – für die deutsch-griechis­che Fre­und­schaft und für Europa.

Quelle:http://www.auswaertiges-amt.de