KINDER DES MEERES
Geschichten der Heimat und der Fremde geschrieben von Autoren, die Deutschland-“Erfahrung” haben und das Problematische, aber auch das Positive des Zusammenlebens verschiedener Völker zum Ausdruck bringen. Darüberhinaus sind es Texte, die mit ihrer Sensibilität die Seele berühren und erfrischen.
Die Fremde, die Auswanderung, äußere und innere Migration, die Frau und wie sie ihr Leben bewältigt, Verständnis und Freundschaft zwischen den Völkern; das sind die Themen, die in diesem Erzählband eine zentrale Rolle spielen.
Ausgewählt als Diskussionsvorlage, im Rahmen eines Seminars für und mit ausländischen Frauen wurden diese Erzählungen so positiv aufgenommen und lieferten Stoff für dermaßen heiße Diskussionen unter den Teilnehmerinnen, daß den Organisatoren die Veröffentlichung der Geschichten notwendig erschien.
Leseprobe:
(aus: Maria Kallianda-Galliou: Hürriyet-Baris Freiheit-Frieden, S. 73–75)
(…)
Damals fragten wir nicht nach den verschiedenen türkischen Merkmalen, die es in unserer Siedlung gab, als wir aber größer wurden und in die Schule gingen, die weiter entfernt lag, sahen wir dort nur unsere eigene griechische Fahne, und die Lehrer sprachen nicht gebrochen, sondern fließend griechisch, wogegen die meisten Großmütter von uns nur türkisch sprachen. Zweifel kamen auf. Warum ist bei uns alles so anders?
Eines Abends fragte ich die Muter danach, und sie erzählte mir viel.
“Die Sonne, der Mond, die Sterne werden nicht geteilt, auch wenn die Menschen versucht haben, sie in Stücke zu schlagen. Niemand konnte die Erdkugel daran hindern, sich zu drehen. Die Grenzen versklaven die Ideen der Menschen. Sie pferchen sie ein wie eine willenlose Herde. Die Vögel paaren sich auf den Dächern der türkischen Häuser wie auch auf unseren. Niemand wird sie daran hindern können, einfach in den Himmel irgendeines Landes zu fliegen. Die Fische brauchen keine Pässe, um in allen Meeren zu schwimmen. Die Erde kennt keinen griechischen oder türkischen Sämann und trägt Früchte, um die Schöpfung mit Menschen und Blumen zu erfüllen. Später wirst du verstehen, warum ich dir das alles gesagt habe, mein Kind.”
Das sagte sie mir damals, und ich fragte nicht noch einmal. Später verstand ich mehr.
ISBN 3–929889-24–2 / 2004 / 2. Ed. / 116 S. — romiosini verlag