Angela Merkel dankt Kyriakos Karipidis
“Deutschland sagt Danke!”, unter diesem Motto hat Bundeskanzlerin Angela Merkel am 1. Oktober die Leistungen ausländischer Arbeitskräfte in Deutschland gewürdigt.
Sie empfing rund 200 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der ersten Generation von Gast- und Vertragsarbeitern im Bundeskanzleramt. Einer von Ihnen der Grieche Kyriakos Karipidis, aus dem kleinen griechischen Ort Amynteon.
Kiriakos Karipidis ist ein Vorbild in Sachen Integration. Das weiß vermutlich halb Biebrich schon seit geraumer Zeit, nun ist auch die Bundeskanzlerin davon überzeugt. Sie hat ihn und 220 andere “Einwanderer der ersten Stunde” nach Berlin zu einem großen Empfang eingeladen. Dort wurden sie geehrt und bekamen einen Glaswürfel, in dem steht: “Deutschland sagt danke!” — “Es war sehr schön und gut organisiert”, sagt Karipidis einen Tag später. Nur das Wetter hätte besser sein können. Er hatte Glück und konnte als einer der ersten der Kanzlerin die Hand schütteln. Als CDU-Mitglied eine doppelte Besonderheit für ihn.
Als Karipidis 1960 nach Deutschland kam, dachte er wohl kaum daran, hier so lange zu bleiben. “Anfangs hatte ich es in Griechenland schon besser als hier”, sagt er. Er wohnte in einem kleinen Dorf, die Familie besaß einen Bauernhof und eine Weberei in einer nahe gelegenen Stadt. Weil die Strickmaschine aus Deutschland kam, nahm er sich vor, irgendwann mal dorthin zu fahren, um sich umzuschauen, vielleicht ein neues Gerät zu kaufen.
Eines Tages kam ein Mitarbeiter der Chemiefirma Albert, aus der später Kalle-Albert wurde, in sein Dorf und warb Arbeiter für das Werk in Wiesbaden an. “Da gab es eine Möglichkeit, mitzukommen”, berichtet Karipidis. Der heute 72-Jährige war unternehmungsfreudig und hängte sich an die Gruppe der künftigen “Gastarbeiter” dran. In Salzburg aber wäre für ihn als Tourist Endstation gewesen, also ließ er sich nachträglich für die Firma anwerben.
Er kam an einem Freitag in Wiesbaden in einer Baracke an, montags drauf sprach er in der Personalabteilung vor und wurde eingestellt. Zunächst für sechs Monate, doch er wollte bleiben. “Ich hatte abgewogen, wo es besser wäre, zu leben”, erinnert er sich. Er wusste, dass die Zukunft der kleinen Webereien angesichts industriell gefertigter Produkte nicht allzu rosig ausschauen würde. So entschied er sich fürs Bleiben. Drei Monate später kam Maria nach Stuttgart. Eine Bekannte aus seinem Dorf. Er holte sie nach Wiesbaden und heiratete sie am 14. Januar 1961. Das Datum kommt ohne Zögern.
Kiriakos Karipidis lernte Deutsch. “Damals konnte ich es besser als heute”, lacht er. Und er wurde im Betrieb aktiv. Er schlug vor, einen Lehrer zu engagieren, der den Gastarbeitern die Sprache beibrachte. Er absolvierte eine Ausbildung als Chemie-Facharbeiter, wurde Vormann, später Vorarbeiter und stellvertretender Meister. Er war Vertrauensmann für die griechischen Mitarbeiter.
“Die Firma hat gesehen, dass ich was leiste und hat das honoriert”, sagt er. Dafür blieb er ihr 36 Jahre lang im Dreischichtbetrieb treu. Seit 1997 ist er nun in Rente. Allerdings kommt er nur manchmal zur Ruhe, kann dann das griechische Fernsehen genießen, das er auch in seiner Biebricher Wohnung empfängt.
Das Wort Integration kommt ihm nicht über die Lippen, er füllt diesen Begriff aber aus, wie kaum jemand. Der Arbeiter war schon in Griechenland den konservativen Idealen zugeneigt und wurde CDU-Mitglied, sobald das für ihn möglich wurde — vor nun 18 Jahren. “Man hat mich mit großer Freude aufgenommen”, erinnert er sich. Kurz drauf nominierte ihn seine Partei für den Ortsbeirat, dem er noch heute angehört. Und arbeitet er im Kreisvorstand mit.
Ohnehin gehört Karipidis zu den Menschen, die sich nicht zurücklehnen. Als seine drei Töchter zur Schule gingen, war er im Elternbeirat. Alle drei haben studiert, die jüngste ist Juristin, die mittlere Lehrerin für Mathematik und Physik, die älteste Ärztin. Grund, für Karipidis, das deutsche Schulsystem zu loben. Auch das Gesundheitssystem hält er für besser als in Griechenland. Das ist einer der Gründe, warum er hier bleibt. “Wenn man an einem Ort so lange lebt und arbeitet, fühlt man sich auch zuhause”, nennt er einen weiteren.
Ein wenig nachdenklich wird er, wenn er darüber nachdenkt, wie skeptisch heute Ausländer oft betrachtet werden. “In Griechenland ist das aber nicht anders”, weiß er. Früher waren Ausländer sehr beliebt, er wurde von den deutschen Kollegen gern nach Hause eingeladen. “Da gab es noch nicht so viele”, sagt er. Ihn ärgert es, dass manchmal pauschalisiert wird. “Wenn einer was anstellt, heißt es gleich ‘die Ausländer‘ sind schlecht”, hat er erlebt. Er selbst hatte noch kaum Probleme mit Ausländerfeindlichkeit. Er glaubt, dass die Griechen sich besonders gut anpassen können. Allerdings ohne dabei ihre Wurzeln zu verleugnen. “Man hat etwas zu geben und etwas zu nehmen”, hat er erkannt. Und ist damit immer gut gefahren.
Quelle: Wiesbadener Tagblatt — Autor Daniel Honsack