Focus zeigt Griechenland den Stinkefinger
Die Medien überbieten sich in den letzten Wochen mit Nachrichten über die Situation in Griechenland. Mal sind die Berichte nüchtern mal nur Panikmache. Doch was sich jetzt Focus mit den beiden verantwortlichen Geschäftführern Helmut Markwort, Frank-Michael Müller geleistet hat, empfinden wir als eine pauschale Beleidigung gegen das Land Griechenland und gegen die Griechen weltweit. In der neusten Ausgabe zeigt das Titelbild die Göttin Aphroditi mit einem Stinkefinger in Richtung Griechenland. Es ist einfach nur skandalös. Hallo Focus, dieser Missbrauch ist geschmacklos und wertet ihr Blatt extrem ab, vielleicht ist diese Aktion sogar strafbar. Wir Griechen und auch viele andere Menschen in Deutschland wissen, was auf einen Stinkefinger folgen kann. Und das zurecht. Sie sollten es auch wissen. Auch ca. 630.000 verkaufte Exemplare sind keine Lossprechung von Moral und Gesetze.
Sehen wir doch mal die Lage in Europa einfach nur rein pragmatisch. Welches Land in der Eurozone ist denn derzeit richtig glücklich, hat wenige Arbeitslose und viele kaufkräftige Einwohner? Wenn ich die Nachrichten in allen Kanälen und Radiosendern richtig verstehe, springen in keinem EUROland die Massen derzeit vor Begeisterung in die Luft. Deutschland ist im Wort “keinem” natürlich inklusive. Welche Gründe dazu geführt haben, analysieren andere in viel sagenden oder besser auch nichts sagenden Kommentaren.
Vergleichen wir doch mal unsere Stadt Bochum mit Griechenland. Heute wird der Haushalt der Stadt vom Regierungspräsidenten in Arnsberg kontrolliert bzw. vorgegeben, wie der von Griechenland durch die EU. In Bochum haben alle Nokia, Opel und andere große Arbeitgeber jahrelang mit Landesgelder versorgt, was diese erst dankend annahmen und sich schließlich vom EUROStaub machten. Jetzt werden die Kinder der Stadt für lange Zeit die Folgen dieser Fehler zu spüren bekommen, die andere (mit)begangen haben. Warum demzufolge werden allein die Griechen für die Systemfehler der EU von einem großen Teil der Presse diffamiert?
Die EU hat uns Bürgern einfach nur zuviel versprochen. Nun gut, die griechischen Regierungen haben mit Hilfe amerikanischer und weiterer internationaler Banken, in der Vergangenheit bei den “Bilanzen” getrickst. So zumindest ist es medial bekannt geworden. “Weil die Griechen das selber zugegeben haben, wussten wir vor fünf Jahren, dass sie manipulieren und haben weitere fünf Jahre gewartet. Also, wir sind auch selber schuld — wir haben Griechenland laufen lassen, obwohl wir wussten, dass sie in die falsche Richtung laufen”, so der FDP-Politiker Jorgos Chatzimarkakis in einer Phönix Sendung vor ca. 2 Wochen. Wir wiederholen uns sehr gerne. “Die Aufdeckung des Dauerverstoßes eines Mitglieds gegen den Euro-Stabilitätspakt kommt einem Debakel gleich. Die Väter der Gemeinschaftswährung haben den Bürgern zu viel versprochen: Acht Jahre nach Einführung des Euro-Bargeldes fehlt es noch immer an wirksamen Kontroll- und Sanktionsmechanismen gegen Ignoranten des Maastricht-Vertrages. Der unregulierte Finanzmarkt lässt grüßen.” (Neue OZ). Warum also bekommt allein Griechenland den Stinkefinger gezeigt und bekommt Prügel von allen Seiten?
“Das Ärgerlichste an der Krise um Griechenland ist die Tatsache, dass sich das Land nur mit unfassbaren Schummeleien in die Euro-Zone mogeln konnte. Das wiederum wirft die Frage auf, warum die EU nicht deutlich schärfer in die griechischen Bücher geschaut hat”, schreibt die WAZ in dieser Woche. Hier auf ellasnet.de haben uns das schon früher gefragt! Alle Artikeln hier zu lesen.
Wir alle sollten uns mal ernsthaft hinterfragen, wie wollen wir Menschen unser Leben wirklich leben? Vor nicht allzu langer Zeit galt für nicht wenige Menschen der mediterrane Lebensstil hierfür als Vorbild. Was gestern noch gut für Geist und Seele war, soll heute der Sog ins Ungewisse sein? “…Wenn die Griechen nicht anfangen, ihre Mentalität zu ändern und ihre Staats- und Haushaltsführung komplett zu ändern, dann geht es nicht,” sagt der eben erwähnte FDP Politiker Jorgos Chatzimarkakis in der gleichen Phönix-Runde, der laut dem Magazin Cicero die deutsche und die griechische Staatsbürgerschaft hat und in Duisburg geboren wurde. Das also ist europäische Politik? Vor 5 Jahren wussten viele über die Vorgehensweise in Griechenland Bescheid und unternahmen Nichts. Ein Schelm, wer dabei an seine Vorteile denkt.
Gewiss haben auch wir von ellasnet.de keine Gelegenheit ausgelassen, auf unseren Staat und das griechische Volk Kritik zu üben. Noch im Dezember haben wir hier geschrieben:
“Beide großen Parteien sind seit Jahrzehnten in Korruptionen verwickelt, finanzieren ihre Pfründenwirtschaft mit zum größtenteil zweckentfremdeten EU-Mitteln, während der öffentliche Dienst in diesem Filz einfach nur versagt und dringende Reformen, wie die des Rentensystems und die der Bildung, immer wieder aufgeschoben wurden. Der Grieche wies im In und Ausland zu lange, zu gerne und zu oft auf seine ruhmreiche Vergangenheit hin, doch versäumte er diese bewährten Werte in seine aktuelle Gegenwart mitzunehmen. Damals nämlich…weiterlesen »»”.
Man sollte meinen, der aktuelle Focus setzt mit der Überschrift “2000 Jahre Niedergang” unseren Bericht fort. “Von der Wiege Europas zum Hinterhof Europas. Griechenlands Abstieg ist beispiellos. Wie konnte das passieren?” und stellt Griechenland als einen der Betrüger in der EURO Familie dar und als Schuldigen für die Talfahrt des Euros. “Der Euro ist wieder auf fast 1,36 Dollar gestiegen. Das sind immer noch fast sieben Prozent mehr als vor einem Jahr. Man muss sich also davor hüten, die griechische Schuldenmisere mit einem Jahrhundertschock gleichzusetzen.” (Neue OZ) Beim Zeus, es gibt also auch reale Berichterstatter in diesem Land. Der Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel hält auch Deutschland für den griechischen Staatsbankrott mit verantwortlich. “Es ist ganz wichtig, dass die aggressive Lohndumping-Politik aus Deutschland natürlich auch Griechenland belastet hat”, so der Wirtschaftswissenschaftler in der Phönix Sendung. US-Banken, deutsche Konzerne und die EU tragen Mitverantwortung für die Verschuldung Griechenlands.
Während die Griechen von allen Seiten und vor allem von Focus als Betrüger gesehen werden, beträgt die Quote der Staatsverschuldung nach OECD Angaben im ehemaligen EU Musterland Irland mit 53% immerhin 33,6% mehr als in Griechenland (19,4%). Auch die Spanier haben zu kämpfen. “Inzwischen schrammt die Arbeitslosenquote in Spanien hart an der 20-Prozent-Marke, Staat und Bürger sind bis über beide Ohren verschuldet. Längst gilt Spanien wegen seiner Größe als weit gefährlicher für den Euro als das praktisch bankrotte Griechenland,” schreibt die RP online folgerichtig das Griechenland mit Italien, Irland und auch Großbritannien nicht alleine da steht.
Griechenland wird derzeit mit allen medialen und psychologischen Mitteln diffamiert. Doch für gewisse Geschäfte ist Griechenland wohl dennoch ein guter Partner. “Es winken also dicke Milliardengeschäfte mit den Bankrotteuren von Athen, die so bankrott doch gar nicht sind, wie’s scheint, wenn’s um die Rüstung geht.” Warum NATO und EU das Spannungsgebiet Ägäis nicht schon längst gelöst haben, macht der Bericht von Eberhard Rondholz in der NRhZ-online deutlich. “Und hat nicht der deutsche Außenminister bei seinem Athenbesuch die Griechen kürzlich an die Einlösung eines alten Kaufversprechens erinnert: den Erwerb von 60 Kampfflugzeugen des Typs Eurofighter beim Konsortium EADS? Haben nicht Verteidigungsminister zu Guttenberg und seine Amtskollegen aus London und Paris, Bob Ainsworth und Hervé Morin, bei der letzten NATO-Ratssitzung in Istanbul ebenfalls mit ihrem Athener Kollegen gewisse Promotion-Gespräche geführt?”
Es ist bekannt, warum Griechenland seit vielen Jahren weltweit einer der besten Kunden der deutschen Rüstungsindustrie ist und warum das möglichst lange so bleiben soll. Also Focus Manager, Griechenland allein bringt Euch nicht um Ihr wohlverdientes Geld, wie Sie leider sehr populistisch in Ihrem Heft titeln. “Die Dementi in Berlin, Brüssel und anderswo sind deutlich. Es gibt keine europäischen Pläne, ein milliardenschweres Hilfspaket für das klamme Griechenland zu schnüren — und schon gar keine konkreten Entscheidungen. Das ist auch richtig so, schließlich muss die Regierung in Athen die desolate Haushaltslage über schmerzliche Reformen und Steuererhöhungen selbst in den Griff bekommen,” gab die Börsen-Zeitung gestern Entwarnung.
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Der antihellenistische Wahn der deutschen Medienwelt kennt keine Grenzen mehr. Nach dem Eklat des Focus welcher mit seiner letzten Montagsausgabe eine ganze Nation ins entsetzen stürzte indem die Redakteure der Zeitschrift die Griechen als Betrüger in der Euro-Familie bezeichneten, ging der deutsche staatliche Fernsehsender ARD einen Schritt weiter. Man konnte seinen Augen nicht trauen was in der Harald Schmidt Show am vergangen Donnerstagabend auf Kosten jedes einzelnen Griechen weltweit, als „Humor“ dargestellt worden ist. Reinster Populismus in niederträchtigster Form welcher das Wertempfinden, die nationale Würde, das Nationalempfinden aller Griechen Deutschlands und weit über dessen Grenzen hinaus getroffen hat.
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