“12 Gedichte zu Kavafis” von Jannis Ritsos
Jannis Ritsos, der zu den bedeutendsten griechischen Dichtern des 20. Jahrhunderts zählt, ist dem deutschsprachigen Publikum bereits aus verschiedenen Ausgaben des ROMIOSINI Verlags sowie anderer Verlage bekannt. In noch größerem Maß gilt das für den griechischen Dichter Konstantinos Kavafis (1863 — 1933).
Im Ritsos-Jahr 2009, 100 Jahre nach seiner Geburt, legt der ROMIOSINI Verlag die zweisprachige Ausgabe eines 1963 im Kedros Verlag, Athen, erschienenen Bändchens vor, in dem Ritsos sich dichterisch seinem großen Vorgänger widmet.
Man könnte sich zunächst fragen, was den allgemein und vorwiegend als “politisch engagiert” angesehenen Dichter Ritsos denn mit dem “erotischen” Dichter und “Dichter des Alters” Kavafis verbinden könnte. Dabei würde man zum einen verkennen, dass Ritsos in seinem so reichen wie vielfältigen Werk der Liebe, dem Eros und dem Gefühl außerordentlich viel Raum gibt, und zum anderen, dass Kavafis durchaus auch “politisch” gedichtet hat, da seine Gedichte mittels der Ironie, mit der er die historische Vergangenheit behandelt, zweifelsohne auch politischen Gegenwartssituationen Rechnung tragen. Doch was die beiden großen Dichter gleichermaßen auszeichnet, ist die gleiche unverblümte, tiefsinnige Sprache, die Ehrlichkeit der Gefühle und allgemein ihre besondere unvergleichliche Dichtkunst.
Dass ROMIOSINI nun gleichzeitig eine zweisprachige Ausgabe “sämtlicher” Gedichte von Konstantinos Kavafis in redigierter Übersetzung (ISBN 9783929889871) und eine neue, zweisprachige Ausgabe der “12 Gedichte zu Kavafis” von Jannis Ritsos vorlegt, ist also kein Zufall, sondern durchaus gewollt und programmatisch.
ZUFLUCHT
„Ausdruck — sagt er — hieße nicht, etwas zu sagen,
sondern einfach zu sprechen; und Sprechen
bedeutet, sich zu offenbaren; wie denn sonst sprechen?“
Und dann wurde sein Schweigen so durchsichtig,
dass er sich gänzlich hinter dem Vorhang verbarg,
und er tat so, als schaute er durchs Fenster.
Aber als hätte er unseren Blick in seinem Rücken gespürt,
wandte er sich um, sein Gesicht aus dem Vorhang hervorstreckend,
als trüge er ein weißes, langes Gewand,
irgendwie komisch, irgendwie unpassend zu unserer Zeit,
und das wollte er (oder zog es vor) in der Meinung vielleicht,
dass er so, auf welche Weise auch immer,
unseren Verdacht täuschen könnte, unsere Feindschaft oder unsere Trauer,
oder dass er uns einen Vorwand bescherte
für unsere zukünftige (von ihm geahnte) Bewunderung.
Jannis Ritsos, Zwölf Gedichte zu Kavafis, Griechisch – Deutsch, übertragen von Niki Eideneier, Romiosini Verlag Köln 2009.
ISBN 978–3‑929889–88‑8, ca. 40 S., Pb., € 9,80
Zentralauslieferung: UNISOLO–Buchvertrieb, Gaußstr. 7, D‑38106 Braunschweig
Tel: 0049–531-1216120, Fax: 0049–531-1216129, E‑Mail: romiosini@unisolo.de